Am Tag des Weltuntergangs verschlang der Wolf die Sonne - Sina Scherzant

Ein junges Mädchen, das sich und seine Bedürfnisse zurückstellt, um die der kleinen Schwester aufzufangen. Ein abwesender Vater. Eine überforderte Mutter, die nicht in der Lage ist, die Familie zusammenzuhalten, Sicherheit zu bieten. Erste Liebe und erster Verlust. Woran erinnert uns der Plot noch gleich? Natürlich, ihr wisst es alle, an Caroline Wahls „22 Bahnen“. Schnell drängt sich der Vergleich beider Debüts auf und mich dünkt, nicht bloß Schwimmbad-Cover trenden in diesem Jahr ganz gewaltig, sondern auch Geschichten über vernachlässigte Mädchen, über Schwesternschaft und weibliche Selbstermächtigung. Umgesetzt sind beide Romane allerdings ziemlich unterschiedlich und ich bin definitiv Team Dini und Katha (sorry, Ida und Tilda, geht nicht gegen euch persönlich).

Ich habe „ATDWVDWDS“ gerade zugeschlagen, mich in eine Decke gekuschelt (ja, im August) und so traurig-melancholisch-froh gefühlt, kennt ihr das? Ich geb’s offen zu, ich dachte zuletzt, Bücher, geschrieben von jüngeren Menschen als ich es bin über deutlich jüngere Menschen als ich es bin, sind einfach nix mehr für mich. Ich bin rausgewachsen, kann mich nicht mehr (und noch nicht wieder) mit den jungen Leuten und den Nöten ihrer Zeit identifizieren, will ich auch gar nicht. Klingt irgendwie bekloppt, aber dachte ich halt. Hab mich geirrt. Auch dieses abgehärtete Herz ist nicht gefeit vor solch rohen Worten, so starken Bildern wie Sina Scherzant sie direkt über mir ausgeschüttet hat. Hier, nimm und fühl, du alte Schachtel. Vor einer so intensiven, kraftvollen Stimme, vibrierend und summend, anders kann ich es nicht beschreiben. Die Geschichte tastet die fragilen Grenzen zwischen den Menschen und der Welt ab, die Brüchigkeit des Glücks; sie lebt, wächst und atmet und man hält selbst die Luft an, möchte keine Regung verpassen und spürt genau, all das ist echt. Sie erzählt von den Spuren, die manche Begegnungen in uns hinterlassen, von Ellenbogen, die sich miteinander verhaken, statt gegeneinander zu stoßen. Aber bitte lest einfach selbst.

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