Tiere, vor denen man Angst haben muss - Alina Herbing

Vor langer Zeit las ich mit „Kraniche und Klopfer“ von Axel Brauns ein Buch, das mich tief berührt hat. Als ich nun in Alina Herbings neuen Roman und damit in Madeleines Geschichte eintauchte, erinnerte ich mich direkt wieder an die Adinas. In beiden geht es um Verwahrlosung, um den Verlust des unbeschwerten Kindseins. Ein Leben außerhalb der Gesellschaft, das einsam macht, innerlich aushöhlt, und das unter größter Anstrengung geheim gehalten werden muss. In beiden Romanen verlieren die Mütter schleichend die Kontrolle über den Alltag, während die Väter abwesend sind, sich der Verantwortung schlichtweg entziehen. Und in beiden werden Lebenssituationen geschildert, die leider nur zu real sind.

Madeleine ist 16, eine junge Frau, die sich zum ersten Mal verlieben sollte, mit Freundinnen quatschen und lachen, Pläne für die Zukunft schmieden. Doch nach dem Umzug aus Lübeck in ein kleines Dorf in Mecklenburg verändert sich vieles. Da ist kein Raum für Luftschlösser, keine Energie für ein Später, ein Vielleicht. Da ist nur die Kälte, die in jede Ritze des alten Hofes dringt, der Efeu, der sich seinen Weg ins Haus bahnt, die Mutter, die entweder weg ist, Tiere retten, oder mit den Gedanken bei eben diesen. Die kleine Schwester, die sich nur noch von Äpfeln ernährt und immer dünner wird. Alles nicht so schlimm, findet die Mutter, das härtet ab und überhaupt wird fließendes Wasser überschätzt, ist der Hundebiss nicht so tief und nähen darf man den eh nicht. Und sie hat ja Recht irgendwie, es geht ja. Und wer kümmert sich sonst um die armen Tiere, um all die traumatisierten Hunde, die Wildschweine vor der Tür und die zig Mäuse im Gebälk?

Alina Herbing skizziert in „Tiere, vor denen man Angst haben muss“ eindringlich die fließende Grenze zwischen Zivilisation und Natur. Den Traum eines guten, einfachen Lebens, der in Hundepisse und Chaos ertrinkt, an den Anforderungen des echten Lebens zerschellt. „Eine berührende Heldin, der man gebannt folgt auf ihrer Suche nach Geborgenheit“ sagt Kristine Bilkau und genau das ist Madeleine – eine Heldin voller Wut, angeknackst, aber auch getrieben von dem unbändigen Willen zu (über)leben.

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