Vor einem großen Walde - Leo Vardiashvili

Bäm. Das ist er also, nach Nino Haratischwilis Jahrhundertepos der nächste große Familienroman Georgiens, Tbilissis, und ich hab auch diesen ganz arg geliebt. Brilka und nun Saba. Zwei Namen, die sich in mir eingenistet haben, und mit ihnen der Wunsch, ihr Heimatland mit dieser bewegten Geschichte und uralten Seele einmal mit eigenen Augen zu sehen, diese wilde Stadt zwischen Bergen und Wäldern in mir aufzunehmen.

Saba ist mit Vater und Bruder Anfang der 90er Jahre nach England geflohen, die Mutter mussten sie in der vom Bürgerkrieg zerrütteten Heimat zurücklassen. 20 Jahre später sind die Jungs erwachsen und ihre Mutter Eka gestorben, ohne ihre Familie je wiedergesehen zu haben. An dieser Schuld zerbricht Vater Irakli fast, verliert sich Stück für Stück selbst, bis er eines Tages verschwindet. Zurück nach Hause. Bald verliert sich seine Spur dort und so folgt ihm erst der ältere Sohn, Sandro, und als auch dieser sich nicht mehr meldet, schließlich Saba nach. Er folgt der Fährte seines Bruders, der Rätsel schon immer liebte, den Brotkrumen der gemeinsamen Kindheit und ist bald nicht mehr alleine auf der Suche. Da sind die Geister all jener, die er liebt und geliebt hat, in seinem Kopf und schließlich Nodar an seiner Seite, ein herzensguter Mensch, der flucht, als gäbe es kein Morgen mehr und mindestens ebenso viel säuft, um den Verstand nicht vollends zu verlieren.

Manche Menschen müssen gefunden werden, andere müssen wir ziehen lassen, so weh es tut. Von diesem Schmerz handelt „Vor einem großen Walde“, von Vertreibung und Versöhnung, der Aussöhnung mit dem Schicksal, aber auch von großer Hoffnung in dunklen Stunden. Jede Zeile atmet das Herzblut des Autors, ich habe Leo Vardiashvili jedes Wort, jedes Gefühl geglaubt und werde sie ehrlich vermissen, diese Figuren, die mir so nahe gekommen sind auf diesem Roadtrip durch das raue, schöne, von den Menschen zerrissene Land. Ich sag’s euch, die können großartig erzählen, die Georgier! Aus dem Englischen von Wibke Kuhn.

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