Mein Herz ist eine Krähe - Lina Nordquist

Erstes Highlight in diesem Lesejahr gefunden und was für eins! In mir herrscht das totale Gefühlschaos. Ich bin ausgelaugt und erschöpft. Traurig. Beseelt und glücklich, aber nicht auf die schnelle Art. Kein Fast Food-Glücklich, sondern dieses schwere Glücklich, das dumpf nachhallt, ganz tief in mir drin. Das mir sagt, dass da gerade etwas passiert ist, das bleibt, mein Herz fest umklammert hält. Ich habe selten eine Geschichte gelesen, die mich mit solcher Intensität trifft, bewegt, aufwühlt. Ihr merkt es vielleicht schon, ich krieg keinen klaren Gedanken zu fassen und mit einer fundierten Rezension hat das hier auch nix zu tun. Ich möchte so viel sagen und gleichzeitig am liebsten gar nichts, aus Angst dem Roman nicht gerecht zu werden. Wie ein rohes Ei liegt diese kostbare Geschichte in meinen groben Händen.

Also nur ein paar Worte zum Inhalt. Lina Nordquists Debütroman (schier unglaublich) erzählt die Geschichten von Unni und Kåra, zwei Frauen einer Familie, die fast ein Jahrhundert trennt, doch die Liebe zu Roar, Sohn der einen und Schwiegervater der anderen, eint. Ihr Zuhause ist die „Frieden“, eine kleine Kate in Schweden, die 1900 Unni und ihrem Liebsten Armod Zuflucht bietet und in den 1970er Jahren auch Kåra aufnimmt. Die Autorin verknüpft beide Geschichten Stück für Stück, dringt immer tiefer in ihr Innerstes und auf den Grund ihrer Geheimnisse vor, beschreibt in betörenden Bildern und kraftvollen Worten die Zumutungen des Lebens, denen diese beiden Frauen ausgesetzt sind, aber auch die starke Liebe, die hell aus der Dunkelheit strahlt. Die fast unbeschreibliche Kostbarkeit des Glücks. Eine zentrale Rolle nimmt hier auch der Wald ein, dem Roars Herz gehört, der ihm von klein auf Schutz und Sicherheit in einer beunruhigenden Welt bedeutete.

„Ein Wald ist viel mehr als nur Bäume, sondern auch alles dazwischen: Luft, Moos, Flechten, Blumen, Pilze. Bäume allein machen keinen Wald. So, wie ein Mensch nicht automatisch lebt, nur weil er am Leben ist.« (S. 185) Und Worte allein machen noch keine gute Geschichte. Es braucht diesen besonderen Zauber, der ihr Leben einhaucht, der sie aus dem Raum des Möglichen herausholt und ans Tageslicht hält.

Aus dem Schwedischen von Stefan Pluschkat.

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