Als wir an Wunder glaubten - Helga Bürster

Edith und Annie sind Freundinnen, lange schon. Beide jung verheiratet, haben sie fast gleichzeitig ein Kind bekommen und ihre Männer nur wenig später in den Krieg verabschieden müssen. Dieser ist seit ein paar Jahren aus, doch zurückgekehrt ist noch keiner und so unterstützen die Frauen sich gegenseitig auf ihren Höfen. Viel Raum für Hoffnung bleibt ihnen nicht und nun steht auch noch der Weltuntergang bevor, prophezeit der Spökenfritz, ein Scharlatan, der die Unsicherheiten der Dorfbewohner zu seinen Gunsten zu nutzen weiß. Als Annies Josef endlich heimkommt, ist die Freude groß, doch schnell folgt Ernüchterung. Der an Körper und Seele Versehrte findet kaum zurück ins alte Leben, säuft sich durch die Tage, schaut seine Frau nicht mehr an und schielt immer öfter auf die rothaarige Edith, die ihm so vertraut erscheint. Ganz klar, er ist verhext worden und ein Sündenbock für alles Unheil schnell ausgemacht. Bald stehen die Frauen auf gegensätzlichen Seiten, ein Graben des Misstrauens zwischen ihnen, ein Riss, der ganz Unnenmoor spaltet. Hier die Abergläubischen, dort die Aufgeklärten. Hier die Altmodischen, dort die Fortschrittlichen. Denn nicht nur der Zweite Weltkrieg und dessen schmerzhafte Nachwehen sorgen für große Verunsicherung, auch die in großen Schritten voranpreschende Modernisierung überfordert die Menschen, die sich nach Altbekanntem, nach Sicherheit sehnen. Wie weiterleben nach einem Krieg, der fortwährend in den Köpfen und draußen im Moor herumspukt? Wie mit der eigenen Schuld in den Schatten der Vergangenheit?

Ich bin tief eingetaucht in Helga Bürsters atmosphärischen Roman, der mit starken Bildern in eine Zeit der Orientierungslosigkeit entführt und überaus lebendig erzählt ist. „Als wir an Wunder glaubten“ zeichnet ein realistisches Bild der düsteren Nachkriegsära, die sumpfige Moorlandschaft Ostfrieslands spielt dabei eine zentrale Rolle und verleiht der Geschichte etwas Mystisches, Geheimnisvolles. Ich habe insbesondere die im Moor verwurzelte Guste und die junge Betty ins Herz geschlossen, ihren festen Zusammenhalt gemocht, ihre beharrliche Weigerung, sich unterkriegen zu lassen, bewundert. Keine Feel-Good-Lektüre, aber eine lohnenswerte!

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