Maud Martha - Gwendolyn Brooks

„Sie mochte Schokolinsen und Bücher und gemalte Musik (tiefblau oder zartsilbern) und den sich wandelnden Abendhimmel, von den Stufen der hinteren Veranda aus betrachtet. Und Löwenzahn. Sie hätte auch Lotosblumen gemocht oder Sommerastern oder Japanische Iris oder Wiesenlilien - ja, auch Wiesenlilien, weil sie schon bei dem Wort «Wiese» begann, tiefer zu atmen, entzückt die Arme hochriss oder gern hochgerissen hätte, je nachdem, wer bei ihr war, hinauf zu dem, was da womöglich vom Himmel aus zuschaute. Aber hauptsächlich sah sie Löwenzahn. Gelbe Alltagsedelsteine, mit denen das geflickte grüne Kleid ihres Hinterhofs verziert war. Sie mochte diese nüchterne Schönheit, mehr noch aber ihre Alltäglichkeit, denn darin glaubte sie ein Abbild ihrer selbst zu erkennen, und es war tröstlich, dass etwas, was gewöhnlich war, gleichzeitig eine Blume sein konnte.“

So zauberhaft beginnt „Maud Martha“ von Gwendolyn Brooks, die als erste Schwarze für ihre Lyrik mit dem Pulitzer-Preis ausgezeichnet wurde, und so lebhaft und poetisch geht es in ihrem einzigen Roman auch weiter. Bereits 1953 erschienen, hat der Manesse Verlag diesen nun zu unserem großen Glück von Andrea Ott ins Deutsche übersetzen lassen.

Maud Martha ist Schwarz und ein Mädchen zuerst, dann eine Frau; keine allzu guten Vorraussetzungen im rassistisch durchtränkten Amerika der 1940er-Jahre. In kleinen Anekdoten entfaltet sich ihr Leben vor uns, ein enges Leben, dem Begrenzungen aufgezwungen werden und an dem sie sich immer wieder stößt. Doch was ist das Besondere an diesem schmalen Buch, worin besteht der Zauber? Ich glaube, es ist die übersprudelnde Lebenskraft der Protagonistin, ihre innere Selbstsicherheit, die bewegt und inspiriert, und ihrer Lebensrealität weit voraus ist. Deren Verweigerung, sich an Regeln zu halten, an den Rand der Gesellschaft drängen und limitieren zu lassen. Maud Marthas Fähigkeit, dem Alltag Poesie abzuringen, die Schönheit in den kleinen Dingen und in sich selbst zu sehen, wirklich zu sehen, wirklich zu fühlen. Ich behaupte, wer Jaqueline Woodson gerne liest, wird „Maud Martha“ lieben. Und alle anderen auch.

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