Sommerwasser - Sarah Moss

Irgendein Sommertag in Schottland. Der Morgen bricht durch die Dunkelheit, der Regen trommelt auf dem See seine monotone Melodie, die niemals enden will und alle Regungen dämpft. Die Bewohner der Ferienhäuser sind sich selbst überlassen, ohne WLAN von der restlichen Welt abgeschnitten, ohne die gewohnten Zerstreuungen ganz ihren eigenen Gedanken und Gefühlen ausgeliefert. Da ist das junge Paar, das am gemeinsamen Orgasmus feilt und dabei an nichts weniger denken kann, als aneinander (Lieblings-Sex-Szene seit langem, was hab ich gekichert!). Die gelangweilten Teenager von gegenüber, die sich weit weg wünschen, in die Sonne, ins trubelige Leben, zu den Freunden oder wenigstens ins Internet; die überall sein wollen, nur nicht hier. Claire und Jon mit ihren beiden Kleinkindern und dem zum Scheitern verurteilten Versuch, die Absurdität ihrer Situation zu verdängen, „nicht daran zu denken, dass sie sich mit all dem Geld, das sie bezahlt haben, um zwei Wochen nicht zu Hause zu sein, im Wesentlichen um all die Hilfsmittel gebracht haben, die ihnen sonst zur Verfügung stehen, um die Zeit rumzubringen.“ Diese Familie mit dem komischen Namen, kommen die aus Rumänien? Bulgarien?, die besonders genau beäugt wird. Die Menschen beobachten sich gegenseitig, ziehen ihre Schlüsse aus flüchtigen Momentaufnahmen, fällen ihr Urteil und mit Einsetzen der Dämmerung kündigt sich etwas Bedrohliches an.

Ganz ehrlich und unter uns – hier passiert nicht viel. Die Menschen in „Sommerwasser“ tun die alltäglichsten Dinge und ganz besonders eines: sich langweilen. Und doch passiert eben ganz viel in ihnen, mit ihnen, brodelt es unterschwellig, wächst aus dieser Eintönigkeit ein faszinierend präzises Bild unserer modernen Gesellschaft, das mich bestens und vor allem klug unterhalten und auch ein wenig ertappt hat. Einfühlsam, scharfsinnig und humorvoll begegnet Sarah Moss ihren Figuren, entlarvt deren Sehnsüchte, spielt mit ihren Ängsten. Auch die Tiere und der Wald, Regen und Schall bekommen eine Stimme und ergänzen diese atmosphärisch dichte Geschichte, diesen explosiven Chor, der letztlich tut, was er tun muss - sich in einem lauten Knall entladen.

Aus dem Englischen von Nicole Seifert.

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