Verbrenn all meine Briefe - Alex Schulman

Wut. Traurigkeit. Beklommenheit. Angst.

Dies ist ein Roman und es ist doch keiner. Alle Erwähnten sind so berühmt, dass sie Wikipedia-Einträge haben, ein öffentliches Dasein abseits dieser höchst persönlichen Geschichte. Alex Schulman arbeitet in „Verbrenn all meine Briefe“ ein vererbtes, familiäres Trauma auf, begibt sich auf die Spurensuche seiner eigenen, unkontrollierten Wut. Er möchte sie verstehen und den Kreis durchbrechen, die nur allzu vertraute Furcht aus den Augen, den Herzen, jeder einzelnen Zelle seiner Kinder verbannen.

Im Jahre 1932 begegnen sich drei Menschen und verknüpfen ihre Lebenswege auf schicksalhafte Weise miteinander. Sven und Karin Stolpe, ein junges Ehepaar und spätere Großeltern des Autors, sowie Olof Lagercrantz. Sie alle sind Teil der Literatur-Szene Schwedens und verbringen in jenem Sommer 10 Tage in der Sigtuna-Stiftung, 10 gemeinsame Tage nur, die alle drei für immer verändern und eine Schneise der Zerstörung zurücklassen werden. Während beide Männer die Deutunghoheit dieser Zeit für sich beanspruchen, Kränkung und Leidenschaft in Literatur transformiert in die Welt hinausschicken, bleibt Karin nur das Schweigen, das langsame Verschwinden und Wegducken. Der Rückzug in „das Land, das nicht ist“, einen Ort in ihrer Phantasie, der mich zu Tränen gerührt hat und es gerade wieder tut, als ich diese Zeilen schreibe, den ich nicht vergessen werde.

Welch eine zutiefst erschütternde Geschichte! Schulman schreibt eindringlich und mitreißend über diese tragische Liebe, die ich mit jeder Faser meines Körpers spüren konnte, ohne je pathetisch oder kitschig zu werden. Über die grausam vertane Chance auf ein bisschen Glück. Ganz nah kamen mir die Protagonisten, ganz dicht bringt Schulman mich mittels Tagebüchern und Briefen an ihre Gefühle und Gedanken, ihre innersten Sehnsüchte und ihr Scheitern heran. Es ist eine zärtliche Hommage an eine Frau, die zwischen zwei lauten Männern keine Stimme hatte und der Versuch, ihr ebenjene wiederzugeben. Eine schmerzhaft wichtige Lektion über die Kraft der Vergangenheit und die unglaublich zerstörerische Macht eines einzelnen Menschen, die generationsübergreifend wirkt.

Übersetzt von Hanna Granz.

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