Lieder aller Lebenslagen - Stine Pilgaard

Stine Pilgaard ist Dänemarks derzeit erfolgreichste Autorin und vielen hier seit „Meter pro Sekunde“ ein Begriff. Für mich war dieses Buch (im Original vor „Meter pro Sekunde“ erschienen wurde es aber erst nach dessen durchschlagenden Erfolg ebenfalls ins Deutsche übersetzt) das erste der Autorin und ich bin ziemlich angetan von diesem frischen, authentischen Ton, der mich berührt und dann wieder zum Lachen gebracht hat, Pilgaards klugen, nuancierten Beobachtungen der zwischenmenschlichen Regungen.

Wir sind in einem großen, alten Haus in Århus. Hier leben Menschen unterschiedlichster Generationen und Nationalitäten dicht beisammen in einer Genossenschaft, teilen ihren Alltag, ihre Sorgen und ihre Freuden. Das ist meistens schön und bereichernd, manchmal aber auch nicht ganz leicht unter einen Hut zu bekommen und dann ist da auch noch die verflixte Vergangenheit und rückt einem auf die Pelle, will einen partout nicht in die Gegenwart entlassen. Als die Gemeinschaft erfährt, dass unsere neu eingezogene Ich-Erzählerin ein besonderes Talent fürs Liederschreiben hat, schütten sie ihr ihr Herz aus. (Dafür müsst ihr wissen, dass es in Dänemark üblich ist, zu festlichen Anlässen ein eigenes Lied vorzutragen.) Diese Lieder also führen uns durch den Roman wie ein roter Faden, fassen die Geschichten der Menschen zu einem schillernden Kaleidoskop des Lebens zusammen, schauen ihnen ins Herz und direkt auf den Grund ihrer Sehnsüchte. Da ist Wahrsager-John mit seiner absurden Ratgeberspalte in der Zeitung, Lisa, die uns tief in die Welt der isländischen Sagen und ihrer starken Frauen mitnimmt, Oma, die ihre Enkelin Iben innig liebt und ebenso innig bevormundet und die seit einem halben Jahrhundert in Ruth verknallt ist, der Kater Daisy (ja, genau, KATER Daisy), Mie, die das Haus kennt wie keine Zweite und verzweifelt versucht, das Zepter in der Hand zu behalten und, ach, lassen wir das. Lest es einfach und lernt ihn selbst kennen, diesen chaotischen, liebenswerten Haufen und tut eurer Seele etwas Hyggeliges in diesen unruhigen, beängstigenden Zeiten.

„Das ist wie in einer Band, sagt Iben, wenn's Probleme gibt, holt man tief Luft und spielt weiter.“ S. 91

Übersetzt von Hannes Langendörfer. Erschienen im Kanon Verlag.

Zurück
Zurück

Verbrenn all meine Briefe - Alex Schulman

Weiter
Weiter

Die Gouvernanten - Anne Serre