22 Bahnen - Caroline Wahl

Caroline Wahl ist DER Shootingstar des deutschsprachigen Novitäten-Himmels in diesem Frühjahr, an ihrem Debütroman „22 Bahnen“ führt schlicht kein Weg vorbei. Schon das Cover ist ein echter Hingucker, der Inhalt verspricht eine kraftvolle Geschichte über die Selbstermächtigung zweier Schwestern. Klingt richtig gut, ist auch gut, für mich persönlich aber kein Highlight. 

Tilda ist Mitte 20, studiert Mathematik und arbeitet im Supermarkt ihres Heimatortes an der Kasse. Zum Ausgleich schwimmt sie regelmäßig ihre 22 Bahnen im Schwimmbad, taucht einfach mal ab, und kümmert sich ansonsten rührend um ihre 10jährige Schwester Ida. Die Mutter der beiden kämpft schon lange mit einer Alkoholsucht, wobei kämpft es nicht ganz trifft, sich der Sucht hingibt wäre passender, da ist wenig Elan, wenig Anpacken, wenig Verstehen der prekären, einem Kind kaum zumutbaren Situation. Ein Zustand, der sich im Verlauf der Geschichte auch nicht wirklich verändert, was mich etwas ratlos und unbefriedigt zurückließ. Ansonsten passiert allerdings so einiges auf diesen 200 Seiten. Wir lernen die jüngere Tilda kennen, begleiten sie und ihre beste Freundin Josie bis zum tragischen Ende eines wunderbaren Sommers, der ihr Verhältnis überschattet. Und dann ist da noch Viktor, der junge Mann mit dem verschlossenen Blick, der neuerdings im Schwimmbad auftaucht. Der sie an diesen vergangenen Sommer erinnert, an ein ganz ähnliches Augenpaar, das sie nicht vergessen kann, und an die Schuld, die schwer auf ihr lastet. Doch ganz langsam wagt Tilda sich zu öffnen und, wenn auch noch zaghaft, an eine eigene Zukunft zu glauben. 

„22 Bahnen“ ist Liebesgeschichte, Familiengeschichte und Coming of Age-Roman, wollte sehr viel und hat für mich deshalb nicht ganz funktioniert. Die Geschichte der Schwestern, diese liebevoll-neckische, irgendwo ambivalente Beziehung hat mich berührt, hätte aber mehr Tiefe vertragen können, einen längeren Atem, bohrendere Finger; da wäre ich so gerne intensiver eingetaucht. Mein Fazit also: ein Buch, das ich gerne gelesen habe, mit dem ich vor 10 Jahren aber vermutlich noch mehr hätte anfangen können und das mir nicht allzu lange im Gedächtnis bleiben wird. 

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