Klara und die Sonne - Kazuo Ishiguro

»Glaubst du an das menschliche Herz? Ich meine natürlich nicht einfach das Organ. Sondern im poetischen Sinn. Das Herz des Menschen. Glaubst du, dass es so etwas gibt? Etwas, das jedes Individuum besonders und einmalig macht?«

KI, künstliche Intelligenz, ist aus unserer digitalisierten Welt nicht mehr wegzudenken, gerade erst hat die EU das erste Regelwerk zur Eindämmung der enormen Risiken auf den Weg gebracht. Auch Klara ist eine KF, eine künstliche Freundin, konzipiert in der nahen Zukunft um jungen Menschen im Erwachsenwerden beizustehen, eine angenehme Gesellschafterin und vertrauensvolle Ansprechpartnerin zu sein. Und Klara ist eine besonders intensive Erzählstimme, denn sie sieht die Welt durch Augen, die unseren sehr ähnlich und doch anders sind. Fast wie ein Märchen liest sich der Roman, kindlich mutet Klaras naiver Blick an, ihr unumstößliches Vertrauen in die Kraft der Sonne und auch in die Menschen, allen voran in Josie, das kranke Mädchen, dem sie gehört und dem bald ihre ganze Sorge gilt. Doch Klaras genaue Beobachtungen dessen, was um sie herum geschieht, verwirren sie zunehmend; wie die Menschen im Namen der Liebe handeln, ist für sie logisch kaum nachvollziehbar, bringt sie an die Grenzen ihrer Fähigkeiten.

Vor Jahren las ich mit „Was vom Tage übrig blieb“ mein erstes Buch des britisch-japanischen Literatur-Nobelpreisträgers Kazuo Ishiguro und war sofort fasziniert. Fasziniert von der bedächtigen Art, mit welcher der Autor diese Geschichte erzählt, davon, wie wenig Aufhebens es benötigt, um seine Figuren zum Leben zu erwecken und mich nachhaltig zu berühren. Nach der Lektüre von „Klara und die Sonne“ weiß ich, das war kein besonderes Merkmal dieses einen Romans; Ishiguros Literatur zeichnet sich nicht durch gewaltige Bilder aus, nicht durch Lärm. Seine Figuren sind still und feinsinnig, seine Worte brauchen etwas Zeit, um ihre ganze Wucht, ihre Wirkung zu entfalten. Es sind existenzielle Fragen über unsere Verbundenheit mit der Welt, die der Autor verhandelt, und die sich auch in diesem Roman wiederfinden.

Aus dem Englischen von Barbara Schaden.

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