Seemann vom Siebener - Arno Frank

Der Siebener ist gesperrt. Zutritt streng verboten seit vor ein paar Jahren ein Jugendlicher nachts da hoch geklettert, ein Bier getrunken und etwas Gras geraucht hat, und runtergesprungen ist. Im Herbst. Als das Becken schon leer war oder beinahe leer, eine Pfütze war noch drin, aber die half auch nichts mehr. Doch heute erinnert, abgesehen vom „Nicht Betreten"-Schild und Bademeister Kiontkes inneren Dämonen, nichts an die Tragödie von damals, heute ist ein strahlender Sommertag und Ottersweilers Freibad dementsprechend voll. Und genau heute steht dieses seltsam aussehende Mädchen oben auf ebenjenem Sprungbrett, ganz still steht sie da, stolz und erhaben, wie auf dem Dach der Welt. Bereit zum Absprung.

„Das Mädchen breitet die Arme aus. Und plötzlich scheint es dem Kiontke, als hatten Teile eines Mobiles sich um eine unsichtbare Achse sanft im Kreis gedreht, all die Jahre, den ganzen Tag, um genau jetzt, in diesem Moment, zur Ruhe zu kommen. Ein Stillstand, der auf eigentümliche Weise ein Bild und einen Sinn ergibt, den der Kiontke nicht ergründen kann. (...) Kiontke lässt das Megaphon sinken und den Dingen ihren Lauf" S. 233/234

Etwas geht heute zu Ende, unwiederbringlich, und gleichzeitig liegt etwas Neues in der Luft, das spüren sie alle. Isobel Trautheimer, die etwas wunderliche, betagte Lateinlehrerin des Dorfes unter der Linde liegend, wo sie selig vergangenen Zeiten nachlauscht, Renate in ihrem kleinen Kassenhäuschen, die Nase wie immer in einem Kreuzworträtsel, Lenny und Joe am Grund des Beckens sitzend, der Gegenwart entrückt, einander und sich selbst irgendwo abhanden gekommen und nicht wissend, wohin mit dieser inneren Leere, der verpassten Chance. Wie ein Mosaik setzt sich aus all den Lebensgeschichten, die hier und heute zusammenfinden, ein melancholisch-beglückendes Bild zusammen, ein aus sämtlichen Schicksalen komprimiertes Gefühl des leisen Aufbruchs. Arno Frank erzählt humorvoll und feinfühlig von den Menschen, ihren Sehnsüchten und Irrungen, von ernsten Untertönen in einer sonnenbeschienen Welt. Ein leichtfüßiger Roman mit Tiefgang, herrlich pfälzischem Lokalkolorit und viel Herz für seine Figuren, den ich in einem Rutsch inhaliert habe.

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