Tod und Trauer

Ich habe bereits einige Begegnungen mit dem Tod gehabt und geliebte Menschen an ihn verloren, hab bei ihnen gesessen, mich verabschiedet, kalte Hände gehalten und geküsst, verstohlen Haarsträhnen abgeschnitten. Darf man das? Ich mach’s einfach. Als meine Großmütter starben waren sie alt und ich war jung und es war traurig an dem Tag und danach kaum wieder. Die Welt war in Ordnung, so gehörte sich das, beide schliefen (vermutlich friedlich) zu Hause ein. Als meine Mutter starb war sie zu jung und ich noch nicht ganz alt genug, um ohne sie zu sein, doch die Erleichterung um ihr überstandenes Leid überwog eine ganze Weile, überdeckte die Trauer, die uns schon lange begleitete. Auch sie starb zu Hause, im Kreis der Familie. Als mein Schwiegervater starb war alles Trauer, geriet die Welt für einen kurzen Moment aus den Fugen. Nichts bereitete uns auf diesen Verlust, diese Erschütterung vor, der Boden tat sich auf und riss einen großen Teil unseres Lebens mit sich.

Der Tod hat wahrlich viele Gesichter und die Trauer auch. Sie ist ein zutiefst einsamer, individueller, wellenförmiger Prozess, der direkt mit dem Tod beginnen kann, erst viel später, aber auch lange vorher. Die Trauer ist manchmal ganz weit weg, dann schaue ich mich verwundert um und frag mich, wo sie hin ist und wie das sein kann, dass ich sie so wenig spüre. Und dann haut sie plötzlich und völlig überraschend mit dem Hammer auf den Tisch, bäääm, unter die Gürtellinie gezielt und getroffen. Kaum etwas gab und gibt mir solche Kraft und Zuversicht, tröstet mich in meinem Trauerprozess so sehr wie Literatur, und ganz besonders diese vier Bücher, diese vier Menschen, die sich und ihr Innerstes zu erkennen gaben und mich erkannten.

Gabriele von Arnim – Das Leben ist ein vorübergehender Zustand, erschienen im Rowohlt Verlag

Christian Dittloff – Niemehrzeit, erschienen im Berlin Verlag

Zsuzsa Bánk – Sterben im Sommer, erschienen im Fischer Verlag

Melitta Breznik – Mutter. Chronik eines Abschieds, erschienen im Luchterhand Verlag

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Fünf Winter - James Kestrel 

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Verschwinden in Lawinen - Robert Prosser