Der Trost der Schönheit - Gabriele von Arnim

Nun bricht für mich eine schwierige Zeit an, ich spüre es. Ich bin dünnhäutiger, suche Streit, weine ohne Grund, ohne erkennbaren Grund jedenfalls. Der Winter bedeutet nicht nur Verlust und Sterben für die Natur, auch mir und meiner Familie hat er in den letzten Jahren zwei wichtige Menschen genommen, deren Abwesenheit in der frühen Dämmerung aufploppt, wie aus dem Nichts, in die Stille hinein, aber auch in den geselligen Trubel der Feiertage, des Fests der Liebe. Trost zu erfahren, ist dabei so hilfreich wie absolut notwendig. Trost, den mir ganz besonders Literatur spenden kann. 

„Manchmal hat man Angst, sich angesichts überwältigender Schönheit innerlich aufzulösen, und verwechselt womöglich befreite Gefühle mit bedrohlicher Kraftlosigkeit. In unerbittlichen Zeiten meines Lebens, in denen mein Mann (der II) krank war und ich stark sein musste, konnte ich in kein Konzert gehen, in keine Oper, konnte keine Musik hören. Ihre Schönheit hat mich wehrlos gemacht, meine schützende Rüstung zerbrochen, meine tiefsten Ängste aus ihren Verstecken geholt, meine Verletzbarkeit ins Freie katapultiert. (…) Ich konnte nicht fliehen in die Musik, sondern musste fliehen vor ihr. Zitterte, verkrampfte, verkrallte die Hände ineinander. Wollte nichts hören, nicht weinen, nicht zerbrechen. Vielleicht wäre es klüger gewesen, den Schmerz wüten zu lassen, die Erschütterung auszuhalten, vielleicht wäre die Explosion auch erlösende Rettung gewesen. Den Mut hatte ich nicht.“ S. 174/175

Sie ist mir ein Rätsel, diese Gabriele von Arnim. Bereits vor zwei Jahren hat sie sich mit „Das Leben ist ein vorübergehender Zustand“ in mein Herz und meine Seele geschrieben, hat eine kaum zu erklärende Glückseligkeit und innere Ruhe in mir ausgelöst. Hat ihre Worte wie heilsame Hände auf meinen inneren Schmerz gelegt, wo ich sie seitdem spüren kann. Ihr neues Buch beschäftigt sich mit dem Trost einer starken Empfindung, eines flüchtigen Moments in diesen unruhigen Zeiten, der Schönheit in den kleinen Dingen. Und wieder gelingt es ihr, mir Mut zu machen, eine wohlmeinende Hand zu reichen. Ich kann lange zehren von einer freundlichen Geste, dem Anblick eines kleinen Vogels auf meinem Fensterbrett, dem Spiel von Licht und Schatten in einem Baum. Und von einem beglückenden Buch wie diesem.

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